Alles anzeigenAmateurfunk ist seiner Definition nach nicht CB Funk mit Sonderprivilegien wie große Leistung, viele Bänder in allen Teilen des elektromagnetischen Spektrums, und Betriebsarten die über FM und SSB hinausgehen, sondern ein Experimentalfunkdienst. In den Anfangszeiten war die natürlich selbstverständlich, man konnte ja kaum was Fertiges kaufen, sondern musste bauen und experimentieren, um herauszufinden, was geht, und was nicht funktioniert. Dies führte automatisch zu einer Gemeinschaft von Bastlern und Experimentierern, denn man wollte ja nicht das Rad neu erfinden, sondern auf die Erkenntnisse, die ein anderer schon gewonnen hatte, aufbauen.
Damit war der Austausch von Know-How, in Form von Schaltplänen, Aufbauanleitungen, Erfahrungsberichten, Verbesserungsvorschlägen usw. ein Kernelement des neu entstandenen Hobbys, obwohl Wissenstransfer damals ja noch mit vielen Hürden verbunden war, und sich auf die Verbreitung durch Druckwerke, bzw. durch Vorträge bei Gemeinschaftsveranstaltungen – und in der Folge dann Austausch des Wissens durch Briefverkehr – beschränkte. Es war ganz selbstverständlich, dass man das, was man wusste, an andere weitergab, sei es von Person zu Person (der Elmer an den Newcomer), sei es an Clubabenden oder größeren Treffen, oder durch Beiträge in diversen Vereinszeitschriften.
Niemand wäre auf die Idee gekommen, dieses Wissen geheim zu halten. Wer einen stabileren VFO entwickelt hatte, publizierte dies, mit allen notwendigen Berechnungsformeln und Angaben zur Spezifikation der Bauteile etc. Teilen von Wissen war einfach ein Teil des „Ham Spirits“.
Selbst als dann zunehmend kommerzielle Geräte auf den Markt kamen, kaufte man mit der Hardware üblicherweise auch eine recht detaillierte Dokumentation des Gekauften mit ein – der Schaltplan war sowieso dabei, oft auch Abgleichanweisungen, Sollwerte für Messpunkte, und mehr. Es war ja selbstverständlich, dass man das Gerät, wenn es denn sein musste, selber reparieren können wollte, oder auch durch Selbstgebautes ergänzen wollte.
Und dann kam die Zeit des Computers….
Und ja, plötzlich gab es auch allerhand kleine Programme, die dem Funkamateur nützlich sein konnten, zuerst oft in BASIC geschrieben – auch da kam der Sourcecode noch mit. Doch in zunehmendem Maße erkannten einige geschäftstüchtige OMs, die des Programmierens mächtig waren, dass man damit vielleicht Geld machen konnte, und mehr und mehr Amateurfunksoftware wurde „Kaufware“ und „Closed Source“.
Heute, wo ein immer größerer Teil der Funktionalität eines Funkgeräts in der Software liegt, ist es nun so, dass keiner der kommerziellen Hersteller diesen Teil des Wissens offen legt. In anderen Bereichen, wie etwa SDR Software, ist der Markt geteilt: neben Closed Source Produkten gibt es auch einiges an Open Source, wie etwa GNU Radio, aber meines Erachtens viel zu wenig.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Blick auf jenes Segment, das dem ursprünglichen Gedanken des Experimentieren und Selberbauens noch am nächsten kommt: das in letzter Zeit erfreulicherweise zunehmende Angebot an Bausätzen (meist QRP) für KW Transceiver. Da sind vor allem die Bausätze von Hans Summers („QRP Labs“) in Großbritannien, und von Ashhar Farhan („HF Signals“) zu nennen.
Bei Hans Summers ist fast alles proprietär und Closed Source, bei Ashhar Farhan hingegen Open Source. Die Bausätze von Hans sind erste Sahne, und auch die Software ist qualitativ auf einem sehr hohen Level. ich verstehe auch die Motivation hinter seinem Zugang: er versucht so, sich vor billigen chinesischen Nachbauten zu schützen. Der Nachteil ist halt, dass allfällige Fehler oder gewünschte Zusatzfunktionalitäten nur auch von Hans selber behoben bzw. implementiert werden können, was zumindest Zeit kostet, bzw. dann nicht passiert, wenn Hans findet, das sei nicht so wichtig.
Im Gegensatz dazu ist bei Farhan alles offen, und es gibt dementsprechend schon etliche alternative Softwaredesigns für seine Transceiver, und wer will (und es kann), kann sich seine eigene Version stricken, mit Ideen, die andere beigebracht haben. Es ist gar keine Frage: dieser Ansatz entspricht viel mehr der ursprünglichen Idee des gemeinsam erarbeiteten Know-Hows, und damit dem ursprünglichen Ham Spirit. Und, das ist das Interessante daran, bislang sind mir keine „Raubkopien“ seiner Hardware in größerem Stil bekannt, obwohl Farhan auch gegen das Kopieren seiner Hardware keine Einwände hat.
Zu guter Letzt will ich auch noch auf ein anderes leidiges Thema zu sprechen kommen: Software zum Programmieren von VHF/UHF Transceivern. Für FM Transceiver hat sich – nicht überraschend – die Open Source Software „Chirp“ gut durchgesetzt (für die gängigeren Modelle wird kaum jemand auf die Originalsoftware des Herstellers zurückgreifen wollen). Neben der Tatsache, dass ich die selbe Software verwenden kann, egal welchen Transceiver ich damit programmiere, hat man den zusätzlichen Vorteil, dass die Software nicht nur unter Windows läuft.
Leider sieht es bei den digitalen Funkgeräten da sehr traurig aus. Firmware und CPS sind praktisch immer proprietär (auch wenn mit mehr oder weniger Erfolg versucht wird, den Geräten ihre Geheimnisse durch Reverse Engineering zu entreissen). Ohne Windows geht gar nichts, und die Qualität der Programmiersoftware kann nur mit „erbärmlich“ eingestuft werden, voller Fehler, lausiger Übersetzungen, Zumutungen in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit usw.
Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, warum die (durchwegs chinesischen) Hersteller auf ihrem Konzept der proprietären Software beharren. Der Hersteller, der die Source seiner Software bzw. der entsprechenden Schnittstellen frei verfügbar macht, hätte schlagartig den Markt im Amateurbereich (und in der Folge wohl auch im kommerziellen Bereich) gewonnen, denn innerhalb weniger Wochen gäbe es Software für seine Geräte, die alle anderen Hersteller alt aussehen ließe.
Aber ich muss auch die Frage stellen: sind an diesem Zustand wir Funkamateure nicht auch selber zu einem guten Teil schuld? Ist uns das Teilen von Know-How noch ein Bedürfnis? Ich fürchte beispielsweise, dass die Zahl jener, die noch immer das inzwischen unwartbare Betriebssystem Windows XP verwenden, größer ist, als jener, die zB Linux einsetzen. „Tja, aber die Software XYZ läuft halt nur auf diesem!“ hört man dann – und damit hat man den katastrophalen Zustand ja schon gut beschrieben, in den man mit proprietären Systemen unweigerlich kommt.
Ich will jetzt nicht sagen, dass man als Funkamateur nur Open Source Software verwenden sollte (ich selber schreibe das hier zB auf einem Mac), aber man könnte doch damit anfangen, dort, wo es leicht geht, Open Source Alternativen zu verwenden (zB OpenOffice oder LibreOffice für Textverarbeitung etc.). Und allen Herstellern für Amateurfunk-Software sei gesagt: Nur dadurch, dass eure Software proprietär ist, werdet ihr nicht reich werden. Dafür ist unser „Markt“ sowieso zu klein, und einen „Amateurfunk-Bill-Gates“ wird es nie geben. Aber durch Open Source wird eure Software besser, sehr viel besser, und damit viel mehr verwendet werden. Und für den Ham Spirit hätte ihr damit auch was getan!
Quelle: https://www.hamspirit.de/9101/open-source-und-amateurfunk/